Pflichtteil im Erbrecht - Beratung und Vertretung in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf

Dr. Markus Wessel

Pflichtteil im Erbrecht: Ihre Ansprüche und Ausnahmen

Das Pflichtteilsrecht im Erbrecht gewährt Angehörigen bestimmte Rechte, auch wenn sie im Testament des Erblassers nicht bedacht wurden.

Der Pflichtteil: Habe ich einen Anspruch trotz Enterbung?

In vielen Fällen werden Testamente kurz vor dem Erbfall geändert, und eine lange als sicher geglaubte erbrechtliche Ordnung kann sich schnell als trügerisch erweisen. Besonders, wenn Familien über größere Entfernungen hinweg leben und der Kontakt aufgrund von Reisebeschränkungen erschwert ist, können persönliche Beziehungen (Pflegekräfte, Nachbarn) neu geknüpft werden. Dies kann dazu führen, dass der Erblasser seine Nachkommen oder gesetzlichen Erben ganz oder teilweise enterbt.

Selbst wenn ein Erblasser gesetzliche Erben in seinem Testament enterbt, haben diese oft Anspruch auf ihren Pflichtteil gemäß § 2303 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dieser Anspruch sichert, dass bestimmte enge Angehörige des Erblassers (Kinder, Enkel und Urenkel, aber auch Eltern oder Ehepartner) nicht leer ausgehen, es sei denn, es liegt der Sonderfall der Erbunwürdigkeit vor.

Berechnung des Pflichtteils: Wie hoch ist mein Anspruch?

Der Pflichtteil berechnet sich grundsätzlich aus dem zum Todeszeitpunkt vorhandenen Nachlass des Erblassers. Er entspricht wertmäßig der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, den der enterbte Angehörige ohne die Enterbung erhalten hätte. Um den Pflichtteil zu berechnen, ermittelt man den Wert des gesetzlichen Erbteils des enterbten Angehörigen und teilt ihn durch zwei. Je mehr gesetzliche Erben vorhanden sind, desto kleiner wird der Pflichtteil.

Sofern der Erblasser keine Abkömmlinge hat, werden die Eltern die gesetzlichen Erben und erwerben somit einen Anspruch auf den Pflichtteil sowie Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Welche Ausnahmen und Besonderheiten gibt es im Pflichtteilsrecht?

Es gibt Situationen, in denen der Pflichtteil nicht oder nur teilweise beansprucht werden kann. Zum Beispiel, wenn der Erbe als erbunwürdig erklärt wird oder Schenkungen vor dem Erbfall den Pflichtteil mindern.

Grundsätzlich lösen Schenkungen zu Lebzeiten einen Anspruch auf Pflichtteilergänzung aus, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Ableben des Erblassers getätigt wurden. Wichtig ist, dass die Schenkung vollständig und bedingungslos erfolgt. Ausnahmen hiervon sind beispielsweise Schenkungen an den Ehepartner während der Ehe oder die Übertragung einer Immobilie unter Vorbehalt eines Nießbrauchs- oder Wohnrechts. Solche Schenkungen werden auch berücksichtigt, wenn sie länger als zehn Jahre zurückliegen.

Was ist ein Pflichtteilergänzungsanspruch?

Von der Frist von 10 Jahren und von der gesetzlichen Regelung, dass kurz vor dem Erbfall durchgeführte Schenkungen den Pflichtteilsanspruch durch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch erhöhen können, haben Erben gehört, wissen aber nicht genau, wie der Pflichtteil oder der Ergänzungsanspruch zu berechnen sind.

Schwierigkeiten kann auch die Bewertung des Nachlasses aufwerfen, wenn er etwa vor dem Erbfall (mehr oder weniger gezielt) durch unentgeltliche oder teilweise unentgeltliche Verfügungen (sog. verdeckte Schenkungen) des Erblassers abgeschmolzen wurde. Diese Sachlage haben auch die Väter des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorhergesehen und für diese Fälle einen Pflichtteilsergänzungsanspruch des um seinen gesetzlichen Erbanspruch Geprellten gegen den Erben oder gegen den Beschenkten vorgesehen.

Nachlassbewertung: Sie haben einen Auskunftsanspruch!

Die Bewertung des Nachlasses kann kompliziert sein, insbesondere wenn der Erblasser vor dem Erbfall Vermögen verschenkt hat. Oft ist der Nachlasswert nur mit Hilfe eines Sachverständigen zu klären. Bei der im Übrigen in hoch emotionaler Atmosphäre ablaufenden Geltendmachung der Pflichtteils und Pflichtteilsergänzungsansprüche stehe ich Ihnen mit meiner langjährigen Erfahrung gern zur Verfügung.

Wann verjährt ein Pflichtteilsanspruch?

In der Regel verjährt der Pflichtteilsanspruch nach drei Jahren ab Kenntnis aller relevanten Umstände.

Sittenwidrige Rechtsgeschäfte?

Wenn die Schenkung mit der Absicht der Benachteiligung gesetzlicher Erben vollzogen wurde, ist sie auch mit den allgemeinen Regeln zu sittenwidrigen Rechtsgeschäfte angreifbar.

Beispiele aus der Praxis zum Thema Pflichtteil im Erbrecht

Pflichtteil und Kinder: Eins von zwei Kindern wird enterbt

Ein Vater (Erblasser) hat zwei Abkömmlinge (Kinder). Ein Kind kümmert sich rührend um den Vater, ein anderes fand den Beruf des Vaters (Schlachter) immer schon bedenklich und wandte sich früh von der Familie ab, um ein veganes Leben zu führen. Der Vater setzt das rührende Kind zum Alleinerben ein, das andere wird im Testament nicht erwähnt. Beim Tode des Vaters möchte das vegan lebende Kind die Hälfte der Schlachterei. Weil es quasi enterbt wurde, hat das vegane Kind einen Anspruch auf die Hälfte des Betrages, den sein Erbteil ausmacht, also Immobilienvermögen, Firma und sonstiges Vermögen. Der um Verbindlichkeiten des Erblassers bereinigte Nachlass wird rechnerisch durch zwei geteilt (zwei gesetzliche Erben erhalten je die Hälfte) und die Hälfte der Hälfte (der Pflichtteil entspricht einer Hälfte des gesetzlichen Erbteils) steht dem veganen Kind zu. Die Summe in Geld, die einem Viertel des Nachlasses wertmäßig entspricht, kann der übergangene Erbe vom Erben verlangen. Sollte der Vater 10 Jahren vor dem Tode eine unentgeltliche Zuwendung an den Erben gegeben haben, z. B. den alten wertvollen Mercedes verschenkt, so ist dessen Wert dem Pflichtteil zu einem Viertel hinzuzurechnen. In jedem Jahr schmilzt dieser hinzuzurechnende Betrag aber um 1/10 ab. Eine Schenkung vor 11 Jahren vor dem Erbfall fällt also nicht mehr ins Gewicht. Vater und rührendes Kind sind also gut beraten, genügend Barmittel verfügbar zu halten, um den Pflichtteil auszahlen zu können, um die Schlachterei nicht verkaufen zu müssen. Ein Notverkauf bringt immer weniger Erlös als ein Verkauf, bei dem die Zeit nicht drängt. Der Erbe ist dann auch frei in seiner Entscheidung, ob er die Schlachterei selbst fortführt oder verpachtet und nicht verkauft, denn beim Verkauf müßten möglicher Weise stille Reserven aufgedeckt und versteuert werden.

Ehegatte und Kinder werden enterbt, Lebensgefährte soll allein erben

Die Großmutter, Eigentümerin von verschiedenen Immobilien und einem prall gefüllten Depot, hat sich von ihrem Ehemann nur getrennt, aber nicht scheiden lassen. Zu den gemeinsamen Kindern besteht nur ein oberflächlicher Kontakt, denn diese schätzen die Lebensweise der Großmutter nicht. Sie lebt mit ihrem etwas jüngeren Lebensgefährten ein glückliches Leben in einem schönen Haus, bis sie nach einer Party überraschend stirbt. In einem formwirksamen, handschriftlichen Testament, das Ehemann und Kindern unbekannt war, hatte die Großmutter den Lebensgefährten als Alleinerben eingesetzt. Nachdem der Lebensgefährte den Ehemann und die Kinder sofort telefonisch vom Tod der Ehefrau bzw. der Mutter verständigt, um die Beerdigung und die Trauerfeier vorzubereiten, erhält er vom Rechtsanwalt des Ehemannes und der Kinder eine Räumungsaufforderung und ein Hausverbot. Durch das formwirksame Testament werden die gesetzlichen Erben enterbt und damit auf den Pflichtteil gesetzt. Der Alleinerbe kann sie daher in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils auszahlen. Der Ehemann erhält also einen schuldrechtlichen Anspruch auf ein Viertel des Wertes, den der Nachlass ausmacht und die Kinder je einen Anspruch auf ein Achtel. Hätte die Großmutter ein maschinenschriftliches Testament mit eigener Unterschrift gemacht (formunwirksam), müßte der Lebensgefährte nach einer Übergangszeit das Haus räumen und ginge im Übrigen leer aus.

Pflichtteil bei Lebenspartnerschaft

Ein Paar lebt in weder eingetragener, noch sonst dokumentierter Lebensgemeinschaft zusammen im Haus eines Lebenspartners, dessen Mutter lebt, aber die Beziehung nie gut geheißen hat. Beide Lebenspartner haben sich in ihren Testamenten jeweils gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und gesetzliche Erben nicht erwähnt. Der Hauseigentümer stirbt und sein Partner ist erstaunt, als ihn die Mutter des Verstorbenen bei der Beerdigung zum Verkauf des Hauses auffordert und die Hälfte des Erlöses - also den Pflichtteil beansprucht.

Viele Ihrer Fragen werden sich im Rahmen einer Erstberatung beantworten lassen. Bitte zögern Sie nicht, einen Termin zu vereinbaren.

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